Redakteur: Andreas Behr
Das niederländische Wirtschaftsministerium hat den Weg für die umstrittene Erdgasförderung in der Nordsee nahe der Wattenmeerinseln Borkum und Schiermonnikoog freigemacht. Die Umweltgenehmigung
für Bauarbeiten wurde entsprechend einem Gerichtsbeschluss verändert, wie eine Sprecherin des niederländischen Unternehmens One-Dyas bestätigt hat. Am Mittwoch, dem 29. Mai 2024 hat das
niederländische Ministerium für Wirtschaft und Klima (EZK) den Wiederherstellungsbeschluss für das Gasförderprojekt N05-A veröffentlicht. Damit kann One-Dyas ab dem 31. Mai die geplanten
Bauarbeiten für die Errichtung einer Bohrplattform fortsetzen und die Arbeit der Nordsee fortsetzen
Am 1. Juni 2022 erteilte das Wirtschaftsministerium die Genehmigung für das Gasförderprojekt N05- A. Eine Reihe von Parteien haben gegen diese Entscheidung geklagt. Das Bezirksgericht Den
Haag entschied am 18. April 2024, dass die Entscheidungen, die sich mit der Förderung von Erdgas und der Verlegung der Pipeline und des Stromkabels befassen, unberührt bleiben, wies
aber darauf hin, dass der Staatssekretär des EZK in Absprache mit dem Minister für Natur und Stickstoff eine Reihe von Mängeln in der Umweltgenehmigung beheben muss. Dieser
Wiederherstellungsbeschluss wurde nun mit Wirkung vom 30. Mai 2024 veröffentlicht.
Verantwortung übernehmen
Chris de Ruyter van Steveninck, CEO One-Dyas: „Der Übergang zu 100% erneuerbaren Energien braucht Zeit. Solange es noch eine Nachfrage nach Erdgas gibt, werden wir zusammen mit der niederländischen Regierung die Verantwortung für unsere eigene Produktion übernehmen. Auf diese Weise sind wir weniger abhängig von Ländern außerhalb der EU, halten unseren ökologischen Fußabdruck kleiner und tragen zu einer widerstandsfähigen Wirtschaft bei.“
Erstes Erdgas aus N05-A im Jahr 2024
Die Plattform N05-A wird die erste niederländische Plattform in der Nordsee sein, die direkt mit Offshore-Windenergie betrieben wird, indem sie an den nahegelegenen Windpark
Riffgat angeschlossen wird, was zu nahezu null Emissionen führt. N05-A ist auch für die zukünftige Entwicklung von grünem Wasserstoff und für CCS geeignet. One-Dyas und alle
beauftragten Unternehmen werden die Arbeit in der Nordsee nun so bald wie möglich aufnehmen. Chris de Ruyter van Steveninck: „Die Veröffentlichung des Wiederherstellungsbeschlusses ist
der Startschuss für One-Dyas, sofort mit der Offshore-Arbeit zu beginnen, um sicherzustellen, dass das erste Erdgas im Dezember 2024 verfügbar ist.“
Potenzial des GEMS-Gebiets in der Nordsee
Das Projekt N05-A ist Teil des so genannten GEMS-Gebiets, ein Gebiet in der niederländischen und deutschen Nordsee etwa 20 bis 100 Kilometer nördlich der Emsmündung. Das
geschätzte Potenzial der Gasfelder liegt bei rund 50 Milliarden Kubikmetern Erdgas. Die Entwicklung der Gasfelder in diesem Gebiet steht ganz im Einklang mit der Forderung der
niederländischen Regierung, die Gasförderung in der Nordsee im Rahmen der Energiewende zu beschleunigen. Für zukünftige Entwicklungen wird One-Dyas ein weiteres Genehmigungsverfahren
durchlaufen.
Überraschung bei der Stadt Borkum und den Umweltverbänden
Die Entscheidung des niederländischen Ministeriums für Wirtschaft und Klimawandel sorgt für Überraschung bei der Stadt Borkum und den Umweltverbänden, die Klage eingereicht und in erster Instanz
am 18. April geschafft hatten, die geplante Erdgasförderung zu verhindern. Bereits da mahnte Bürgermeister Jürgen Akkermann, anderes als die Umweltverbände, die die Entscheidung als großen Erfolg
verbuchten, zur Geduld und rief dazu auf abzuwarten, wie One-Dyas reagieren würde. Nachdem One-Dyas Mitte Mai in 66 Punkten auf 20 Seiten in Berufung gegangen ist und sich bereits da
zuversichtlich zeigte, noch im gleichen Jahr Erdgas zu liefern, scheint das Vorhaben aus aktuellem Anlass tatsächlich so durchgeführt zu werden. Für die Bohrungen sind allerdings Genehmigungen
beider Länder erforderlich. Auf deutscher Seite läuft noch ein Genehmigungsverfahren seitens des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG).
Stellungnahme Bürgermeister Jürgen Akkermann: „Beunruhigende Entwicklung“
Das niederländische
Ministerium für Wirtschaft und Klima hat heute eine neue Genehmigung für den Bau der Erdgasplattform durch die Firma ONE-Dyas erteilt. Von dieser Nachricht wurden wir auf deutscher Seite völlig
überrascht. Das Gericht hatte die alte Umweltgenehmigung teilweise aufgehoben. Unsere Anwälte prüfen zurzeit die geänderte Sachlage, das Ergebnis müssen wir noch abwarten. Sicher ist allerdings, dass durch die geänderte Genehmigung bereits wesentliche Auflagen des Gerichts in Den Haag erfüllt werden. Damit ist vorerst der Weg für
weitere Baumaßnahmen frei. Dies eine sehr schlechte Nachricht für die Umwelt und für unseren Lebensraum. Wir haben jedoch sechs Wochen Zeit, um auch gegen diese Genehmigung Rechtsmittel
einzulegen. Wir sind dazu in engem Kontakt mit der Gemeinde Juist, die mit uns zusammen Klage gegen die Erdgasplattform eingereicht hatte. Wir gehen davon aus, dass wir auch gegen diese
Entscheidung der niederländischen Regierung Rechtsmittel einlegen müssen“, gibt Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann eine erste Stellungnahme dazu ab.
Unabhängig davon haben die Stadt Borkum und die Gemeinde Juist diese Woche eine Beschwerde gegen das Urteil vom 18.04.2024 eingereicht. Damit bleiben sie mit ihren Anliegen im Verfahren und
versäumen keine Fristen für weitere Schritte. Neben den Inselgemeinden haben auch alle weiteren Verfahrensbeteiligten eine Beschwerde gegen das Urteil eingelegt. „Trotz dieses Rückschlags werden
wir nichts unversucht lassen, die Erdgasplattform zu verhindern“, sagt Jürgen Akkermann abschließend.
Statement von Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne):
„Das Unternehmen „One-Dyas“ will bis Oktober 2024 die notwendige Infrastruktur für die Gasförder-Plattform unweit der Insel Borkum erreicht. Es hat für die
notwendigen Genehmigungen mit dem niedersächsischen Landesamt NLWKN Kontakt aufgenommen, wie das Umweltministerium in Hannover am Mittwoch mitteilte. Für die möglichen Bohrungen sind
Genehmigungen beider Länder erforderlich. Auf deutscher Seite läuft weiterhin ein Planfeststellungsverfahren. Aus Sicht des Umweltministeriums ist es nicht überraschend, dass „One-Dyas“ nach
seiner Niederlage vor Gericht im April nun einen neuen Genehmigungsantrag vorgelegt hat. In Hannover geht man davon aus, dass die Umweltverbände und die Insel Borkum erneut von den Gerichten in
Deutschland und den Niederlanden prüfen lassen, ob die Maßgaben des Gerichts angesichts fehlender Umweltprüfungen und der möglichen ökologischen Auswirkungen eingehalten werden. Rechtswirksam ist
die heutige Genehmigung also erst dann, wenn keine gerichtliche Überprüfung mehr anhängig sind.“
Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne) betonte: „Unabhängig vom Rechtsstreit in den Niederlanden ist unsere Haltung klar: Aus Sicht der Umwelt, des Klimas, des Naturschutzes, des
Schutzes der Inseln und des Wattenmeers sowie im Sinne des Erhalts des Weltnaturerbe-Status des Wattenmeeres ist die beantragte Gasförderung vor Borkum zuzeit nicht genehmigungsfähig. Im
Koalitionsvertrag der Ampel im Bund ist klar vereinbart, keine neuen Genehmigungen zur Öl- und Gasförderung in der Nordsee mehr zu erteilen. Ich gehe davon aus, dass sich der Bund, der noch einen
Vertrag zur Förderung mit den Niederlanden abschließen muss, daran hält, zumal die geplante Gas- und Ölförderung mit den verschärften Klimazielen in Bund und Land nicht vereinbar ist.“
Niedersachsen setze beim Klimaschutz und bei der Energiewende auf den Ausbau der Offshore-Windenergie in der Nordsee, aber nicht auf neue Förderungen klimaschädlicher fossiler Gase.“
Kurzfassung des Gesprächs mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH):
Die Deutsche Umwelthilfe kündigte an, alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen. „Uns hat diese Entscheidung sehr überrascht und die Empörung ist groß“, sagte DUH-Sprecher Constantin Zerger.
Aus Sicht der Umwelthilfe seien die vom Gericht monierten offenen Punkte keinesfalls geheilt. „Wir werden so schnell wie möglich einen neuen Baustopp beantragen“, kündigte Zerger
an.
Textquellen Nds. Umweltminister Christian Meyer / DUH: Norwestzeitung (NWZ), Jörg Schürmeyer