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Kommentar aus der Redaktion: Gewalt gegen Frauen hat keinen Platz auf der Welt – auch nicht an Klaasohm

Foto: Andreas Behr 

Tradition im Wandel – aber unter Generalverdacht

Es steht außer Frage, dass Gewalt in jeder Form inakzeptabel ist und keine kulturelle Legitimation haben darf. Dass der Verein Borkumer Jungens e.V. 1830 bereits vor zwei Jahren das Schlagen reglementiert hat, zeigt, dass der Brauch einem Wandel unterliegt und sich an zeitgemäße Normen anpasst. Die Reportage des NDR Formats Panorama versäumte es jedoch, diesen Wandel differenziert darzustellen.

Stattdessen wurde ein Narrativ aufgebaut, das Borkum pauschal als Ort der Gewalt gegen Frauen stigmatisiert. Dies verkennt nicht nur die Bemühungen der Insulanerinnen und Insulaner, sondern setzt die gesamte Gemeinschaft einem kollektiven Generalverdacht aus.

Der Klaasohm-Brauch wird von seinen UnterstützerInnen als identitätsstiftendes Ritual beschrieben, bei dem sieben kostümierte Männer in einem klar definierten Rahmen ein traditionelles „Räuber-und-Gendarm-Spiel“ inszenieren. Die Darstellung der NDR-Reportage, die einen historischen Ursprung in angeblicher Gewalt gegen Frauen vermutete, erscheint bei näherer Betrachtung fragwürdig und historisch unbelegt. Tatsächlich hat sich das Fest über die Jahrhunderte mehrfach gewandelt, wobei es heute stark reglementiert ist und das Schlagen als Bestandteil des Brauchs zunehmend nachgelassen hat bzw. bereits eine Abschaffung initiiert gewesen ist.

 

Medienverantwortung und journalistische Sorgfalt

Die Kritik an der NDR-Reportage reicht über die einseitige Darstellung hinaus. Sie zeigt exemplarisch die Gefahren, die aus unzureichend recherchierten Berichten entstehen können. Anstatt die historische, kulturelle und soziale Komplexität des Klaasohm-Festes angemessen zu beleuchten, fokussierte die Sendung auf plakative Vorwürfe und erzeugte dadurch ein verzerrtes Bild. Dies wurde durch die ungeprüfte Weiterverbreitung in sozialen Medien noch verstärkt. Die daraus resultierenden Beleidigungen, Drohungen und Anfeindungen gegenüber Insulanerinnen und Insulanern sind nicht nur unverhältnismäßig, sondern gefährden auch das Vertrauen in die freie Presse – weshalb die nachgesagte Skepsis gegenüber Journalisten sich nunmehr auch bestätigte und nichts damit zu tun hatte, etwas Vertuschen zu wollen. Ein konstruktiver Umgang mit dem Thema hätte die Herausforderungen des kulturellen Wandels auf Borkum differenziert beleuchten können. Es ist schade, dass die Perspektive der Insulanerinnen und Insulaner in der Reportage keine Chance auf einen Platz gefunden hat. Die Verantwortung lag auf beiden Seiten. Stattdessen führte die mediale Zuspitzung zu einer Polarisierung, die weder der Sache noch der betroffenen Gemeinschaft gerecht wird. 

 

Wandel braucht Zeit und Dialog

Die Debatte zeigt, dass Traditionspflege und gesellschaftliche Werte immer wieder neu überprüft werden müssen. Der kulturelle Wandel auf Borkum ist bereits lange in Gang, doch eine nachhaltige Veränderung braucht Zeit und das Mitwirken aller Beteiligten. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass es Menschen gibt, die diesem Fest kritisch gegenüberstehen. Ihre Perspektive ist nicht kleinzureden, denn die Kritik hat in vielen Punkten ihre Berechtigung. Es ist wichtig, die Sorgen und Erfahrungen dieser Personen ernst zu nehmen, um eine umfassende und reflektierte Diskussion über Traditionen und deren Wandel zu ermöglichen.

Pauschale vorschnelle Verurteilungen einer Gemeinschaft oder Forderungen nach dem Verbot des Festes helfen nicht weiter. Stattdessen bedarf es eines offenen Dialogs, in dem sowohl die historische und kulturelle Bedeutung des Brauchs als auch die berechtigte Kritik an problematischen Aspekten berücksichtigt werden.

 

Am Ende ist klar: Gewalt hat in keiner Tradition Platz. Seit mehreren Jahren engagiert sich der Verein kurz vor Klaasohm in den Schulen und führt Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt durch. Auch bei den Kinder-Klaasohms ist Gewalt ausdrücklich untersagt – unabhängig davon, was andere Medien berichten. Daher ist die Entscheidung des Vereins, öffentlich für den Verzicht auf Gewalt einzutreten und um Entschuldigung bei den Opfern zu bitten, richtig und verdient Respekt. Fakt ist: Männern und Frauen ist bewusst, worauf sie sich an Klaasohm freiwillig einlassen. Dennoch birgt der Nervenkitzel die Gefahr, dass Grenzen überschritten werden können und es zu Handlungen kommt, die als Körperverletzung wahrgenommen werden, denen sich insbesondere Frauen trotz eines ausdrücklichen ‚Nein‘ nicht immer entziehen konnten. Der Nervenkitzel hört da auf wo das NEIN beginnt. Das ist der Moment, in dem Gewalt inakzeptabel wird! Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist Gewalt gegen den Willen der „Freiwilligen“ eine Straftat.

 

Es zeigt sich, dass sowohl die Borkumer Gemeinschaft als auch der Journalismus in der Verantwortung stehen: Die einen müssen ihr Brauchtum reflektieren und sich konsequent gegen jede Form von Gewalt positionieren, die anderen ihre Recherchequalität und die Auswirkungen ihrer Berichterstattung und anschließender Social-Media-Hetze kritisch hinterfragen. Selbstreflektierend gilt abschließend auch für unsere Redaktion, dass auch wir uns in diesem Thema neu aufstellen und zukünftig reflektierter, kritischer und offener mit Klaasohm umgehen werden. In diesem Sinne, Moije Klaasohm.    

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