Redakteurin: Lea Lübben
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hat der niederländischen Firma ONE-Dyas die Erlaubnis erteilt, „Richtbohrungen von der Plattform N05-A in den deutschen Sektor der Nordsee einschließlich der Erdgasförderung im deutschen Hoheitsgebiet“ durchzuführen. Diese Genehmigung ist auf 18 Jahre befristet und wird vorzeitig enden, wenn durch die Wärmewende in Deutschland kein Erdgas mehr benötigt wird.
In dem Planfeststellungsverfahren ging es laut LBEG darum, ob die Bohrungen in einer Tiefe von mindestens 1.500 Metern unter dem Meeresgrund in deutsches Hoheitsgebiet eintreten dürfen und ob durch sie anschließend Erdgas gefördert werden darf. Die sogenannten Richtbohrungen verlaufen im deutschen Hoheitsgebiet nicht senkrecht und durchstoßen nicht den Meeresgrund. Vielmehr verlaufen sie in einer Tiefe von 1.500 bis 4.000 Metern, also im tiefen Erdreich unterhalb des Meeresgrundes, zunächst bogenförmig und schließlich nahezu horizontal.
„Das beantragte Vorhaben und die damit einhergehenden Wirkfaktoren führen weder zu einer Betroffenheit des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer noch zu einer Betroffenheit des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer. Die Auswirkungen des auf deutscher Seite beantragten Vorhabens auf geschützte Vorkommen – wie beispielsweise Riffe – wurden untersucht und als nicht erhebliche Beeinträchtigung bewertet. Die prognostizierten Bodensenkungen infolge der Erdgasförderung befinden sich in dem zugelassenen Förderzeitraum in einer nicht messbaren Größenordnung und haben keine Auswirkungen für die Meeresflora und -fauna. Weder die Ostfriesischen Inseln noch das deutsche Festland sind von diesen geringen Bodensenkungen betroffen“, heißt es in einer Pressemitteilung des LBEG.
„Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und ihre Partner werden gegen die Genehmigung von Richtbohrungen unter der deutschen Nordsee vorgehen“, so ein Sprecher der DUH. Zuletzt hat zudem der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NWLKN) die Verlegung eines Seekabels zur Stromversorgung zugelassen (diese Zulassung wird juristisch angefochten).
Für den Beginn des Projekts ist allerdings eine weitere rechtliche Voraussetzung notwendig: ein Vertrag zwischen Niederlande und Deutschland bezüglich der grenzüberschreitenden Erdgaslagerstätten.
Koalitionskonflikt
„Der schwelende Konflikt zwischen Olaf Lies (SPD) und Christian Meier (Grüne) scheint sich zu einem Koalitionskonflikt auszuweiten. Christian Meyer hat sich bis
zum Schluss, trotz Androhung des Verlustes seines Ministerpostens, sich vehement gegen die Gasförderung vor Borkum ausgesprochen“, heißt es in einer Mitteilung der Grünen Borkum.
Stadt Borkum
„Wir haben heute mit großer Bestürzung erfahren, dass das Landesbergbauamt den Planfeststellungsbeschluss zu den Gasbohrungen auf deutschem Gebiet erlassen hat. Dies ist ein herber Schlag gegen das UNESCO-Weltnaturerbe, den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und damit für die Lebensgrundlagen der Insulanerinnen und Insulaner. Die Entscheidung können wir nicht nachvollziehen. Wir hatten im Verfahren sehr gute Argumente vorgebracht, die gegen das geplante Vorhaben sprechen. Wir werden jetzt intensiv den Planfeststellungsbeschluss durcharbeiten und natürlich rechtliche Schritte prüfen. Dazu werden wir uns auch mit unseren Partnern auf den anderen Inseln und mit den beteiligten Umweltverbänden absprechen“, sagt Bürgermeister Jürgen Akkermann.
Greenpeace
Mira Jäger, Greenpeace-Expertin für Klima und Energie, sieht die Bundesregierung in der Pflicht, die Einwände gegen das Projekt ernst zu nehmen und den Vertrag nicht
abzuschließen: „Olaf Lies hat dieses klimaschädliche Projekt nicht aufgehalten, obwohl es in seiner Macht stand. Für klimaschädliches, fossiles Gas, das gerade mal ein Prozent des derzeitigen
jährlichen deutschen Bedarfs abdecken würde, setzt Niedersachsen die Gesundheit des Wattenmeers aufs Spiel, einschließlich der zu Beginn des Jahres von Greenpeace erstmals dokumentierten
Steinriffe. Der Schutz der Nordsee und unseres Klimas muss nun Chefsache werden: Um das Projekt noch zu stoppen, dürfen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock dem
Vertrag zwischen den Niederlanden und Deutschland nicht zustimmen.”
Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland
Bernd Meyerer, Sprecher der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland: „Die Ostfriesischen Inseln sind buchstäblich ‚auf Sand gebaut‘. Nicht zuletzt hängt ihre Trinkwasserversorgung unmittelbar
von den Dynamiken von Sand und Wasser ab. Nun sollen Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Untergrund vor Borkum entnommen werden. Die Insel- und Häuserfundamente sowie die Trinkwasserlinse sind
durch Erdbeben und Bodenabsenkungen stark gefährdet. Da die möglichen Folgen so existenziell sind, gebietet das Vorsorgeprinzip, jedwedes Risiko auszuschließen. Stattdessen verlässt sich das LBEG
auf die Beteuerungen aus den Niederlanden, dass alles sicher sei. Dort ist kürzlich die jahrzehntelange Erdgasförderung in Groningen wegen der Erdbeben eingestellt worden. Eine
Untersuchungskommission hatte festgestellt: ‚Geld war wichtiger als Sicherheit und Gesundheit‘. Deshalb will man nun vor Borkum fördern. Das dürfen wir nicht zulassen!“
Deutsche Umwelthilfe
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Härter kann man den Menschen auf den ostfriesischen Inseln nicht vor den Kopf stoßen: Nur wenige Tage
nach den großen Protesten auf Borkum möchte Wirtschaftsminister Lies die Gasbohrungen unter der deutschen Nordsee erlauben. Damit stellt er die Geschäftsinteressen eines fossilen Gaskonzerns über
Natur und Menschen vor Ort. Wir werden dagegen alle rechtlichen Mittel ausschöpfen. Bei diesem für die Energieversorgung unnötigen Projekt geht es jedoch um mehr: Wenn eine neue fossile Förderung
in Deutschland erlaubt wird, stellt dies auch die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands in Frage. Deshalb muss sich nun die Bundesregierung einschalten und verhindern, dass ONE-Dyas in
Niedersachsen weiter der rote Teppich ausgelegt wird.“
BUND Niedersachsen
Susanne Gerstner, Vorstandsvorsitzende BUND Niedersachsen: „Das Land Niedersachsen knickt nun endgültig ein. Für die Nordsee und das Wattenmeer ist diese Genehmigung eine Katastrophe, die wir
nicht hinnehmen können. Sie steht im krassen Widerspruch zu den Klimazielen der rot-grünen Landesregierung und setzt den Status des Wattenmeers als Weltnaturerbe aufs Spiel. Das UNESCO-Komitee
hat Ende Juli klar formuliert: Der Abbau von Öl und Gas ist mit dem Welterbe-Status des Wattenmeers unvereinbar. Das Vorhaben wird gravierende Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Die Risiken
durch ein mögliches Austreten von Kohlenwasserstoffen, Bohrschlämmen und Lagerstättenwasser sowie Erdbeben und erhebliche Landabsenkungen sind unkalkulierbar. Die Landesregierung hat 2021 selbst
festgestellt, dass der Schutz der betroffenen einzigartigen Naturlandschaft ein überwiegend öffentliches Interesse ist – und dass das Vorhaben von ONE-Dyas dem entgegensteht. Wie das zuständige
Landesamt trotz dieser Erkenntnisse die Gasbohrungen genehmigen möchte, ist uns schleierhaft.“
Grüne Borkum
„Dieses unsägliche hin und her um die, aus unserer Sicht, katastrophale Fehlentscheidung der SPD geführten Landesregierung (Ministerpräsident Weil und Minister Lies) ist aus energiepolitischer
und umweltpolitischer mit Vernunft und Fürsorge für die BürgerInnen Niedersachsens nicht zu rechtfertigen. Herr Weil bezieht sich auf die Situation aus Herbst 2022. Auch diese Reaktion war aus
unserer Sicht eilfertig und durch nichts zu rechtfertigen. Aber genauso, wie Herr Weil argumentiert, auf die damalig aktuelle Lage reagiert zu haben, sollte er es auch heute tun. Die Lage hat
sich erheblich verändert und verlangt eine neue Einschätzung und Bewertung. Genau das tun die Herren Weil und Lies nicht. Jede/r BürgerIn storniert eine Reise, wenn das Land nicht sicher ist,
auch Großbritannien vollzog den Brexit, weil sich aus britischer Sicht die Mitgliedschaft in der EU nicht mehr lohnt. Wir Borkumer Grünen fordern die Herren Weil und Lies sowie den
niedersächsischen Landtag auf, ihre genuinen politischen Pflichten wahrzunehmen, die Lage neu zu bewerten und neu zu entscheiden. Und so auch zu zeigen, dass sie eine Politik für die Menschen in
Niedersachsen und nicht eine für den wirtschaftlichen Erfolg ausländischer Wirtschaftsunternehmen machen. Es darf nicht sein, entgegen besseren Wissens an Entscheidungen festzuhalten, die
nachweislich allen schaden, nur nicht der Wirtschaft. Es ist ein hoher Preis Klima- und Umweltschutz, irreversible Schäden in Flora, Fauna und Biotopen Unterwasser sowie den Lebens- und
Wirtschaftsraum tausender niedersächsischer Bürger und Bürgerinnen zu opfern. Es droht die Aberkennung des Status „Weltnaturerbe Wattenmeer“ und auch ganz wichtig, es stellt die weltweite
Glaubwürdigkeit und Reputation Deutschlands für Klimaschutz und Umstieg auf alternative Energien in Frage. Die letztliche Entscheidung der Bundesregierung zu überlassen ist demokratisch
legitimiert. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass keine neuen Gasbohrungen in der Nordsee zugelassen werden dürfen. Quo vadis Herr Weil, Herr Lies, welches Spiel spielen Sie?“ schreiben
die Borkumer Grünen in einer Pressemitteilung.